Offener Brief von Dr. Johannes Platz zum Seminar „75 Jahre Nakba“ in Eitdorf

Der Beit-Jala-Verein Bergisch Gladbach war Mitveranstalter eines Seminares, das vom 17. bis zum 19. November in Eitorf bei Bonn stattgefunden hat. Der Titel des Seminars lautete „75 Jahre Nakba“ – Erinnerungskultur der Palästinenser_innen und in Deutschland.

Hier der Link zum Einladungsschreiben.

Anlässlich dieses Seminars hat Herr Dr. Johannes Platz, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e. V. AG Köln ein offenes Schreiben an die Veranstalter verfasst.

Der Vorstand des Ganey Tikva-Vereins trägt den Inhalt im vollen Umfang mit.

Offenes Schreiben von Dr. Johannes Platz

Seminar „75 Jahren Nakba“ der Städtepartnerschaftsvereine Köln-Bethlehem und Beit Jala Bergisch Gladbach

Sehr geehrte Vorstände der Städtepartnerschaftsvereine Köln-Bethlehem und Bergisch Gladbach-Beit Jala,
sehr geehrte Damen und Herren des Landesbüros NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung,

ein derart einseitiges Seminar zu „75 Jahren Nakba“ anzubieten, zumal in der aktuellen Situation, befremdet uns sehr. Wir fragen uns, was das für eine Erinnerungskultur der Palästinenser_innen und in Deutschlands sein soll, die damit befördert werden soll.

Sie möchten über die Fluchtbewegungen der „Einwohnerinnen und Einwohner des Gebietes des Staates Israel im Zuge der Staatsgründung Israels und des ersten israelisch-arabischen Krieges“ aufklären. Sie beschreiben die so genannte Nakba als eine traumatische Erfahrung der palästinensischen Geschichte, die bis heute fortwirke und die palästinensische Identität präge.

Bei Ihrer Darstellung des Seminars vermissen wir zu allererst eine Einordnung, wieso sich aus den Fluchtbewegungen ein in Permanenz gehaltener Status der Flüchtlinge ableitet, der die Integration der vor 75 Jahren geflohenen Araberinnen und Araber in den jeweiligen Aufnahmeländern verhinderte.

Sie behaupten zwar, dass sie sich mit jüdisch-israelischen Perspektive in Bezug auf die Nakba auseinandersetzen möchten. Aus Ihrer Seminarankündigung wird aber nicht klar, wie sie dies erreichen möchten. Wir betrachten Ihr Seminar, auch angesichts der gewählten Referentin als klare Parteinnahme.

Wir erwarten aufgrund des Tenors Ihrer Ankündigung, dass die Veranstaltung Gefahr läuft, eklatant gegen Mindeststandards der politischen Bildung zu verstoßen, insbesondere gegen das so genannte Überwältigungsverbot. Den Einbezug gegenläufiger Perspektiven gestalten Sie ausgesprochen selektiv. Dies findet darin seinen Ausdruck, dass Sie einseitig den Bevölkerungstransfer zwischen Israel und den Anrainerstaaten als „Nakba“ bezeichnen, ein Begriff, den die Deutsch-Israelische Gesellschaft in einer fachwissenschaftlichen Broschüre als „Mythos Nakba“ dekonstruiert hat. Für die beinahe restlose Vertreibung der Jüdinnen und Juden aus den arabischen und nordafrikanischen Ländern finden Sie keinen Begriff.

Im mindesten wäre zu erwarten, dass sie in ein den Prinzipien politischen Bildung, inbesondere des Beutelsbacher Konsenses entsprechendes Seminar ausrichten. Dies setzte voraus, dass sie gleichwertig die genannte unterschiedslose Vertreibung der Jüdinnen und Juden aus nahezu allen arabischen und nordafrikanischen (und vorwiegend muslimisch geprägten) Ländern einbeziehen. Es wäre von Bedeutung, den sozialen Tod der Jüdinnen und Juden in diesen Ländern zu beschreiben, die Enteignung und die Vertreibung in den Herkunftsgesellschaften zu thematisieren.
Ausgehend von einer solchen Betrachtung eröffnete sich dem unbefangenen Beobachter die Perspektive auf die unterschiedlichen Lösungsansätze der verschiedenen Staaten. In Israel setzte man nämlich anders als in den arabischen Staaten auf die umgehende und vollständige Integration der jüdischen Flüchtlinge.

In allen arabischen Aufnahmestaaten erfolgte das Abdrängen der palästinensischen Flüchtlinge in die Staaten- und Rechtlosigkeit, die Perpetuierung ihres Flüchtlingsstatus und die Aufrechterhaltung desselben als internationales Druckmittel gegen Israel.

Statt diesen Status ewig aufrecht zu erhalten, ist die einzige angemessene Forderung an die Aufnahmestaaten, diesen Flüchtlingsstatus endlich aufzuheben und die bereits seit vielen Jahrzehnten dort lebenden Menschen endlich zu integrieren. Dies setzte voraus, dass man sie in staatsbürgerschaftlicher Hinsicht, in die Arbeitsmärkte und auch sozialpolitisch integrieren würde. Schließlich und vor allem müssten sie endlich aus dem sie indoktrinierenden Korsett der einzig für die palästinensischen Flüchtlinge zuständigen Flüchtlingshilfeorganisation der UNO, der UNWRA, befreit werden. Dies würde die Rücknahme der Illusion der Verwirklichung eines Rückkehrrechts bedeuten.

Das israelische Vorgehen gegenüber den jüdischen Flüchtlingen, die an Zahl so stark waren, wie die Gruppe der aus Israel geflüchteten Palästinenser_innen, ist jedenfalls radikal anders als das arabische Vorgehen. Die Integration der palästinensischen Flüchtlinge in die Aufnahmegesellschaften ist das einzig vernünftige realpolitische Szenario, wenn man nicht territorial revisionistische Ziele verfolgt.

Zu Ihrer Information senden wir Ihnen Broschüre „Mythos Nakba“ der DIG als pdf. Sie wurde von Jörg Rensmann, einem Vorstandsmitglied des Mideast Freedom Forum Berlin erarbeitet. Das MFFB ist ein unabhängiger Think Tank, der sich mit der Entwicklung im Nahen Osten befasst. Sie finden sie hier: https://www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2019/10/Mythos_Nakba.pdf

Wir würden uns freuen, wenn die Broschüre Ihr Interesse fände.

Mit freundlichen Grüßen im Namen des gesamten Vorstands der DIG AG Köln

Dr. Johannes Platz
Vorsitzender der DIG AG Köln